Teamgefühl stärken in virtuellen Teams: Verbindung halten trotz Distanz
Beziehungen in remote Teams aufzubauen und zu erhalten wird von Führungskräften als eine ihrer größten Herausforderungen beschrieben. Das ist sicherlich auch ein Grund dafür, warum so viele Unternehmen versuchen, ihre Mitarbeitenden zurück ins Büro zu holen - mit mehr oder weniger großem Erfolg.
Doch stimmt es wirklich, dass sich gute Beziehungen und ein starkes Teamgefühl nur vor Ort aufbauen und stärken lassen? Es gibt interessante Beispiele, die zeigen, dass auch remote Teams erfolgreich sein können: Unternehmen wie Reddit, Slack und Atlassian setzen ganz oder teilweise auf standortunabhängige Zusammenarbeit und sind damit sehr erfolgreich. Sicher nicht zufällig sind ihre Produkte einige der erfolgreichsten Plattformen für digitale Vernetzung und Zusammenarbeit.
Und sehen wir den Tatsachen ins Auge: Remote-Zusammenarbeit spielt nicht nur dort eine Rolle, wo Mitarbeitende lieber im Homeoffice als am Standort arbeiten. Sie ist auch überall dort Realität, wo Unternehmen an mehreren Standorten tätig sind, mit externen Partnern kooperieren und Projekte gemeinsam mit Kunden und Lieferanten weltweit umsetzen.
Wie also lässt sich die Atmosphäre in virtuellen Teams verbessern und eine gute digitale Unternehmenskultur aufbauen?
Die Antwort lautet: So einiges. Und weil mir dieser Artikel deshalb etwas länger geraten ist, gibt es diese mal auch eine Inhaltsübersicht.
In diesem Blogartikel:
- Teamgefühl stärken in virtuellen Teams: Verbindung halten trotz Distanz
- Videokonferenzen gut gestalten: Können wir das jetzt alle?
- Meeting Check-ins als Stimmungsbarometer
- Trau dich: Video an für eine reichhaltigere Kommunikation
- Kleingruppen und Chat sorgen für Abwechslung und informellen Austausch
- Kennen Sie Kahoot!? - Meine 3 Lieblingsideen für Teambuilding remote
- Geht’s auch mal spontan? Verbindungen stärken per Gruppenchat und Telefon
- Erfolgskanäle, Rant Chats und virtuelle Kaffeeküchen
- Das gute alte Telefon - Anrufen ohne Agenda
- Psychologische Sicherheit: Nichts geht ohne Vertrauen und Sicherheit
- Weitere Blogartikel in dieser Reihe
- Zum Weiterlesen
Videokonferenzen gut gestalten: Können wir das jetzt alle?
In virtuellen Teams spielt sich naturgemäß ein Großteil der Interaktionen in Videokonferenzen ab. Wie laufen diese Calls bei euch ab? Tauscht ihr euch miteinander aus? Sprecht ihr darüber, wie es euch gerade geht? Oder spricht einer und alle anderen schreiben nebenbei Emails?
Meeting Check-ins als Stimmungsbarometer
Ein Blick zurück in die offline Welt:
Kommt die Kollegin später als üblich und deutlich gestresst ins Büro, kann man schon erahnen, dass sie heute keinen guten Tag hat und vielleicht etwas Zeit zum Ankommen benötigt. Vielleicht fragt man auch mal nach, was denn los ist, vielleicht antwortet sie und lässt ihren Frust kurz raus. Im Idealfall geht es ihr danach schon besser.
Stattdessen in der virtuellen Welt:
Wenn sich dieselbe Kollegin im Homeoffice morgens etwas später als sonst einloggt, deutlich gestresst auf der Tastatur herumhackt und leise murmelnd ihren Monitor beschimpft, bekommt das niemand aus ihrem Team mit. Niemand fragt nach, sie behält ihren Ärger für sich und verbringt den Vormittag schlecht gelaunt und unkonzentriert.
Eine alternative virtuelle Welt:
Vielleicht hat die Kollegin aber Glück und der Tag beginnt mit einem Teammeeting per Videokonferenz. Startet dieses nun nicht direkt mit Agendapunkt 1, sondern mit einem Check-in, bekommt sie hier doch noch die Chance, ihren Frust in Wort oder Bild zu fassen, ihn so ein Stück weit loszulassen und danach konzentrierter arbeiten zu können.
Check-ins sind ein bewährter Bestandteil vieler Meetingformate. Sie sind beliebt und nachweislich förderlich für das Teamklima. Regelmäßig eingesetzt, können sie sogar dazu beitragen, Konflikte im Team zu verringern. Check-ins lassen sich unterschiedlich gestalten – etwa in Form von Emoji-Abstimmungen oder mit einfachen Check-in-Fragen. Inspiration für solche Fragen findet ihr zum Beispiel auf tcheck.in. Ihr könnt aber auch problemlos eigene Fragen entwickeln: Überlegt einfach, was ihr selbst gerne mitteilen würdet – und fragt genau danach.
Trau dich: Video an für eine reichhaltigere Kommunikation
Wie kann Video dabei helfen, Beziehungen in Remote-Teams aufzubauen – besonders zu Menschen, die man noch nie persönlich getroffen hat?
Menschliche Kommunikation läuft über mehrere Kanäle gleichzeitig. Während wir zuhören, liefern uns Mimik und Gestik unseres Gegenübers wichtige Hinweise, die das Verstehen erleichtern. Und wenn wir selbst sprechen, zeigt uns die Reaktion unseres Gegenübers, wie aufmerksam er zuhört. Ohne diese nonverbalen Signale müssen wir Situationen mit deutlich weniger Informationen einschätzen.
Video ist deshalb ein echter Fortschritt im Vergleich zur rein telefonischen Kommunikation.
Trotzdem können Videokonferenzen persönliche Gespräche nicht vollständig ersetzen. Sie bringen eigene Herausforderungen mit sich, die wir erst seit der pandemiebedingten Homeoffice-Welle besser verstehen. Im Unterschied zu einem Treffen vor Ort sehen wir unsere Kolleg:innen nicht im gesamten Kontext, sondern lediglich in einem kleinen Ausschnitt ihrer Welt. Das kann auf Dauer anstrengend sein – vor allem mit dem Gefühl, ständig beobachtet zu werden. Beides trägt zur bekannten Zoom-Fatigue bei.
Was also tun? Kamera an oder aus?
Mein Plädoyer: An.
Selbst bei reinen Präsentationen stärkt es die Verbindung, wenn die Teilnehmenden ihre Kameras zumindest zu Beginn und für die anschließende Diskussion einschalten. Bei Formaten, die vor allem auf Austausch setzen, gilt das umso mehr. Wenn du Videokonferenzen moderierst, ermutige die Teilnehmenden aktiv, die Kamera einzuschalten. Geh mit gutem Beispiel voran und zeige dich – deine Sichtbarkeit lädt andere ein, sich ebenfalls offen zu zeigen.
Kleingruppen und Chat sorgen für Abwechslung und informellen Austausch
Ein weiteres Problem virtueller Meetings besteht darin, dass der informelle Austausch oft zu kurz kommt. Ihr kennt das sicher: Im (Präsenz-)Meetingraum kommt man erstmal an, tauscht ein paar Worte aus, sucht sich einen Platz und startet dann so langsam mit der Tagesordnung. Virtuelle Meetings hingegen steigen häufig direkt ins Sachthema ein. Zwischen den ersten zwei oder drei Personen im Call entwickelt sich vielleicht noch ein Gespräch, doch das verstummt oft, sobald weitere Teilnehmende dazukommen. Und während man sich in Präsenzmeetings auch durch Blickkontakt verständigen kann, ist das im Videocall mit mehreren Personen nahezu unmöglich.
Breakouträume für kleine Gruppen
Damit echte Verbindungen im Team entstehen, braucht es mehr als nur das Besprechen von To-dos. Für längere Videokonferenzen sind Break-out Sessions super - das ist ein bisschen, wie das Gespräch beim Kaffee holen in der Pause im Seminar. Gebt den Gruppen eine kleine Reflexionsfrage mit auf den Weg, so haben sie die Möglichkeit, sich besser kennenzulernen und neue Verbindungen aufzubauen oder alte aufzufrischen.
Chat als zweite Gesprächsebene
Eine weitere Möglichkeit für informellen Austausch im Videocall ist der Chat. Oft entwickelt sich die Kommunikation dort von selbst – falls nicht, darf man sie gerne bewusst fördern. Als zweite Diskussions-Ebene macht er eine Videokonferenz lebendiger und abwechslungsreicher. Entscheidend ist, dass beide Ebenen miteinander verbunden bleiben: Die Moderation sollte den Chataustausch aktiv aufgreifen und verbal einbinden. Um dabei den Überblick zu behalten, hilft es, sich die Moderation mit einer zweiten Person zu teilen.
Kennen Sie Kahoot!? - Meine 3 Lieblingsideen für Teambuilding remote
Und dann sind da noch die Teamevents. Früher hieß das zum Beispiel gemeinsam Essengehen, Grillen oder Bowling – Gelegenheit, sich in lockerer Atmosphäre kennenzulernen und das Wir-Gefühl zu stärken. Virtuelles Grillen ist dagegen eher schwierig, über Zeitzonen hinweg unpraktisch und vermutlich wenig befriedigend.
Das macht aber nichts, denn virtuell kann man eine ganze Reihe anderer Sachen zusammen machen. Hier meine drei Favoriten:
Das Quiz
Mit Kahoot! oder einem anderen Umfrage-Tool ein Quiz erstellen und ermitteln, wer sich am Besten auskennt: Mit der Unternehmenshistorie, mit Fun Facts übereinander, mit der Geografie der einzelnen Standorte … die Optionen sind vielfältig. Quiz aktivieren (denn wer will nicht gewinnen?) und können gleichzeitig Verbindung schaffen, indem man etwas übereinander lernt.
PowerPoint Karaoke
Nein, niemand muss singen! Nur eine Präsentation zu einem Thema halten, von dem man vorher noch nie etwas gehört hat. Das sorgt für Unterhaltung auf mehreren Ebenen: Die Kreativen und Experten ausgefallener Wissensgebiete können Folien zu ihren Lieblingsthemen erstellen, die Mutigen und Entertainer dürfen spontan präsentieren, und alle anderen genießen einfach die Show und staunen, mit welchen Themen sich ihre Kolleg:innen so auskennen.
Werwolf
Das beliebte Werwolf Spiel (die Regeln möge man gern googeln) funktioniert ganz wunderbar auch online. Bei meiner früheren Arbeitgeberin gab es eine Kollegin, die ganz wundervolle und mit der Zeit sehr ausgefeilte Werwolf-Sessions organisiert hat. Man spielte mit Menschen quer aus dem Konzern und war man von den Werwölfen gerissen oder vom Bürgergericht gehenkt worden, konnte man im Werwolf-Jenseits den bisherhigen Spielverlauf debattieren und kam so ganz locker mit Kolleg:innen ins Gespräch, die man bisher noch nicht kannte.
Geht’s auch mal spontan? Verbindungen stärken per Gruppenchat und Telefon
Erfolgskanäle, Rant Chats und virtuelle Kaffeeküchen
Chatgruppen sind ein fester Bestandteil des Bürolebens geworden und laden geradezu dazu ein, ein paar Kanäle für den informellen Austausch zu etablieren. Hier sind drei Ideen, die sich bewährt haben:
Der Erfolge-feiern-Kanal
Von kleinen Siegen im Alltag bis zum erfolgreichen Projektabschluss, hier kann jeder posten, was er heute feiert. Schärft das eigene Bewusstsein für Erfolge (statt immer nur den Fokus auf die Probleme zu legen) und fördert das Gemeinschaftsgefühl, denn jede:r kann mit einer kurzen Emoji Reaktion oder ein paar Worten mitfeiern und auf die Schulter klopfen.
Der Rant-Kanal
Das Gegenteil vom Erfolge-feiern-Kanal. Hier können alle ihren Frust ablassen. Nicht funktionierende Technik, schlecht gelaufene Kundengespräche, widerspenstige Excel-Tabellen - in diesem Kanal darf der Frust darüber rausgelassen werden. Und natürlich Trost gespendet und vielleicht sogar das ein oder andere Unterstützungsangebot gemacht werden. Aber Vorsicht: Für diesen Kanal sollte es eine klare Netiquette geben (die auch jemand im Auge behält), damit es nicht destruktiv oder verletzend wird.
Virtuelle Kaffeeküche
Der Kanal ausschließlich für die spontane Kaffeeverabredung. Das virtuelle Äquivalent zum Auftauchen am Schreibtisch mit der Kaffeetasse in der Hand, fragenden Blick und nur einem Wort: “Kaffee?”
Das gute alte Telefon - Anrufen ohne Agenda
Ruf doch mal an, ganz ohne ein Anliegen. Denn bei der zunehmenden Kommunikation in Videokonferenzen bekommt man schnell das Gefühl, alles müsse eine Agenda haben. Umso schöner, wenn mal jemand anruft, nur um zu fragen wie es so geht. Sicher, nicht jede:r liebt es, am Telefon über das Wetter oder die Familie zu plaudern und Manche nervt es geradezu, vom Klingeln aus wichtiger Arbeit herausgerissen zu werden. Doch vielleicht gibt es günstige Zeiten, am Ende des Tages, direkt nach einem Meeting oder um die Mittagszeit. Selbst wenn es nicht viel zu erzählen gibt und das Gespräch nach fünf Minuten beendet ist, signalisieren solche Anrufe Interesse und ein offenes Ohr für den Fall, dass es doch mal etwas zu besprechen gibt.
Psychologische Sicherheit: Nichts geht ohne Vertrauen und Sicherheit
Du kannst dir noch so viele Teamevents, Check-in-Fragen und Chatkanäle überlegen – all das nützt nichts, wenn sich dein Team nicht sicher fühlt, offen seine Meinung zu sagen, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Das bedeutet: Aufmerksam zuhören, ohne in die Defensive zu gehen. Unterschiedliche Meinungen zulassen und moderieren. Eigene Unsicherheiten offen einräumen. Also ein psychologisch sicheres Klima schaffen.
Ganz klar: Psychologische Sicherheit ist nicht nur in virtuellen Teams wichtig, sondern genauso in Teams, die in Präsenz zusammenarbeiten. Suche deshalb bewusst nach Wegen, wie du deinem Team dieses sichere Umfeld schaffen kannst. Feedback ist dabei eine wunderbare Möglichkeit, Vertrauen zu stärken – aber auch schnell zu zerstören. Mehr dazu findest du in meinem Blogpost: Die Kunst des Feedbacks Die Kunst des Feedbacks
Mit diesem Post schließt meine Reihe über virtuelle Führung. Etwas kürzer, dafür regelmäßig, schreibe ich in meinem Newsletter. Darin bekommst du Tipps und Impulse rund um Selbstorganisation und erfolgreiche Zusammenarbeit im Team. Und auch immer ein Update, wenn es etwas Neues auf dem Blog gibt.
Lies doch mal rein!
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